Foto-Museum Uhingen


Fotohistorische Sammlung G.+ W. Pabst





Herzstücke unserer Sammlung


Die „Butter- und Speckkamera“ der Firma Ferd. Homrich aus Hamburg

Wie das Fotomuseum Uhingen das bisher ungelöste Rätsel um den Ursprung einer seltenen frühen Nachkriegskamera lösen konnte.


Im Frühjahr 2020 fiel uns eine Titelgeschichte in der Fachzeitschrift PhotoDeal auf, in der die Verfasser Dieter Riebe und Dieter Scheiba um Mithilfe zur Bestimmung einer bisher unbekannten Kleinbildkamera aus der Nachkriegszeit bitten. Man hatte zwischenzeitlich  etwa ein Dutzend Exemplare dieser mysteriösen Kamera ausfindig gemacht, aber niemand wusste etwas über ihre Herkunft.

 

Zur gleichen Zeit wurde dem Fotomuseum Uhingen durch den Schwiegersohn eines gewissen Walter Reuter (1927 bis 1998) als Nachlass eine Kleinbildkamera angeboten, die laut seiner Darstellung von seinem Schwiegervater kurz nach dem Krieg mit entwickelt worden war und eine besonderer Rarität darstellte. Gleichzeitig bot er uns zusammen mit der Kamera einen von Walter Reuter verfassten Lebenslauf an, der das Geheimnis dieser Kamera lüftete. Unser Museum hat sich natürlich dieses besondere Stück gesichert.


Walter Reuter im Jahre 1947


Als wir nun auf den Artikel in der PhotoDeal aufmerksam wurden, war uns schnell klar, dass wir im Besitz einer äußerst seltenen Rarität waren und gleichzeitig das Geheimnis hinter dieser Kamera lüften konnten. Jost Simon, in unserem Museum zuständig für Fototechnik und Historie, zeichnet dafür verantwortlich, dass die Fachwelt das Rätsel um diese Kamera lösen konnte. Dazu verfasste er in der Sammlerzeitschrift Photographica Cabinett (August 2020) einen ausführlichen und viel beachteten Bericht über die Entdeckung und Geschichte dieser Kamera.

 


 

 

 

Die Titelgeschichte zu unserer    Kamera in der

Photografphica Cabinett

(Ausgabe August 2020)

 

 


Aus dem selbstverfassten Lebenslauf von Walter Reuter geht hervor, dass er nach dem Krieg eine Anstellung als Lehrling in der Entwicklung bei der Fa. Ferd. Homrich in Hamburg-Altona fand. Diese Firma beschäftigte sich vornehmlich als Hersteller von fototechnischen Reproduktionsapparaten. Uns war diese Firma auch nur durch Geräte dieser Art bekannt, da sich zwei historische Exponate in unserer Ausstellung befinden, wobei eines der Geräte von Walter Reuter entwickelt worden war.

Nun bestand aber direkt nach dem Krieg eine große Nachfrage nach guten Kameras, und so wollte  sich die Fa. Homrich auch ein Stück von diesem lukrativen Kuchen sichern. Irgendwie war man an einen Satz Objektive mit Verschluss gekommen. Man beschloss also im Winter 1947 selbst eine Kleinbildkamera zu entwickeln und zu bauen, woran der Lehrling (und Student) Walter Reuter mit beteiligt war. Das Ergebnis war eine kompakte 35-mm-Kamera mit einem Rodenstock Trinar 3,5/4,5 cm Objektiv und einem Prontor II-Verschluss.

Diese Kamera wurde in einer kleinen Serie produziert und u.a. im Tauschgeschäft zunächst vor allem in Dänemark für Butter und Schinken verkauft, da zu dieser Zeit extreme Lebensmittelknappheit herrschte. Und das ist der Grund, warum Walter Reuter von seiner „Butter- und Speckkamera“ spricht.


Unsere „Butter- und Speckkamera“

in der Ausstellung vom Fotomuseum Uhingen


Unser Exemplar ist in einem sehr guten Zustand und natürlich voll funktionsfähig. Bei genauer Betrachtung fällt aber auch auf, dass die verwendeten Materialien wie z.B. Schrauben und sonstige Kleinteile von den schwierigen Bedingungen der damaligen Zeit zeugen. Also ein echtes Zeitzeugnis für die damalige unmittelbare Nachkriegszeit.

 


Minderwertige Teile wie z.B. Schrauben zeugen

von der prekären Versorgungslage im Jahr 1947


Später in den 50er Jahren hat es Walter Reuter nach Australien verschlagen, wo er sich als selbstständiger Fotohändler sehr erfolgreich betätigte und 1984 zum „Dealer of the Year“ ausgezeichnet wurde. Sein persönliches Exemplar seiner ersten Kameraentwicklung hat er gehegt und gepflegt und schließlich seiner Tochter vererbt, und über diesen Weg fand sie zu uns ins Fotomuseum Uhingen. Und als Krönung konnten wir dadurch das Rätsel um die Herkunft dieser außergewöhnlichen Kamera lüften, wonach die Fachwelt schon länger verzweifelt gesucht hat.

 


Walter Reuter erhält 1984 in Australiendie Auszeichnung „Dealer oft he Year“


Natürlich hat die Kamera zusammen mit den Dokumenten in unserem Museum inzwischen einen schönen Präsentationsplatz gefunden.